Das Wandfries „Quinten“ im alten Steinbruch

Vor ein paar Jahren standen Priska Inauen und ich vor der Pumpstation im alten Steinbruch östlich des Dörflis in Richtung Au, einem funktionalen Bau ohne ästhetische Ansprüche, das Dach eine dicke Betonplatte, deren Stirnseite etwas über die Fassade hinausragt. Damals und auch danach immer wieder überlegten wir, wie man den Ausdruck des Gebäudes verbessern könnte.

Für die Ausstellung „Der Tanz der toten Reben“ wählte ich den alten Steinbruch als einen der acht Standorte. Nun wurde der alte Traum plötzlich zur Möglichkeit. Priska fertigte einen Entwurf an. Ich bekam die Erlaubnis von den Grundeigentümern sowie dem Besitzer der Anlage und fand wohlwollende Unterstützer, welche den Aufwand dafür stemmten. Nachdem der Entwurf von uns beiden für gut befunden wurde, fertigte Priska im Atelier die Schablonen an. Die Malerei erhielt eine Vorzeichnung in Kreide, ausgeführt wurde sie in Purkristallat.

Die Pumpstation liegt am Anfang des viel begangenen Wanderwegs Quinten – Au. Das Fries springt sofort ins Auge, die Figuren der Ausstellung auf dem Dach der Pumpstation aber muss man zuerst entdecken – selbst hier, wo eine Vielzahl von ihnen versammelt ist. Das zurückhaltende Schwarz-Weiss verbindet das Fries mit den Felsen im Hintergrund. Dazwischen versuchen sich die Figuren, welche die Freiheit verkörpern, zu behaupten.

Malerei schafft aus einer Pumpstation für von mit Fäkalien durchsetzten Abwassern, aus einem Unort einen Ort. Sie überspielt die mit einem Tabu verknüpfte Funktion des Gebäudes, wechselt gleichsam das Thema und verweist auf die Natur, welche den Bau umgibt. Der Rhythmus bringt Ordnung in die Fassade. Das Erscheinungsbild des Gebäudes verändert sich.

Der Bau besteht aus zwei ungleich grossen Teilen: aus der winzigen alten Pumpstation und einem gleich hohen, aber um einiges längeren Anbau. 

Auf der Stirnseite des alten Betondachs wurden Moose und Flechten mit einer Stahlbürste weggekratzt und die Begrenzungslinien der Flächen mit dem Pinsel nachgezogen. Diese Technik rückt diese Teil in die Nähe des Sgraffito. Das gilt im Übrigen auch für das Ornament selbst, den aus der griechischen Antike stammenden Wellenmäander, ebenfalls „laufender Hund“ genannt. Gehäuft tritt er im übrigen in den Sgraffiti der alten Engadiner Häuser auf. 

Am alten Teil der Pumpstation ist das abstrakte Ornament auf sich gestellt. Am neuen Teil beleben Pflanzen und Tiere aus Quinten die zentralen Kreise.

Übergang abstrakt - gegenständlich

Was bedeuten die dargestellten Lebewesen? Unser Wandfries ist ein offenes Kunstwerk. Man kann Bezüge zu Einzelpersonen herstellen, zur Malerin, zu jenen, die das Projekt auf diese oder jene Art unterstützt haben. Das Ganze kann aber auch als – zugegebenermassen etwas surreale – Bildergeschichte gelesen werden und zwar sowohl von links nach rechts als auch von rechts nach links.  

Seit kurzem existiert auch ein Spiel zum Fries. Eine Person spricht einen Satz und die anderen müssen herausfinden, an welches Lebewesen in der Malerei sie gedacht hat. So geht es reihum weiter. Wer es dreimal am schnellsten herausfindet, hat gewonnen.